16.12.2020 – Der Solitude-Chor und Afrika
Nkosi sikelele Africa
1988 durfte ich für ein paar Monate als Dozent an die University of Zululand. Es war eine unvergessliche Zeit, denn es war noch zu Zeiten der Apartheid, und damit eine seltene Gelegenheit, sich selbst ein Bild über die Zustände in Südafrika zu machen. Nelson Mandela, der spätere Friedensnobelpreisträger und erste frei gewählte Präsident Südafrikas saß zu diesem Zeitpunkt noch auf Robben Island, einer Gefängnisinsel vor Kapstadt als verurteilter Terrorist, doch die weltweiten Proteste (gekrönt von den „Free-Mandela-Konzerten“) wurden immer lauter. Ich war an einer der wenigen „schwarzen Universitäten“ inmitten des Homelands Kwa Zulu ca. 200 km nördlich von Durban, das die weiße Regierung als eine Art Reservat errichtet hatte. So war ich zumeist der einzige Weiße und habe viel über die Kultur der Zulu und Xhosa gelernt, habe mit meinen ausschließlich schwarzen Studenten gesungen, getrommelt, getanzt und gefeiert, habe aber auch viel von der Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit der Rassentrennung erfahren. Diese Eindrücke waren unvergesslich und haben meinen Blick für Gerechtigkeit und Gleichbehandlung nachhaltig geprägt.
Konzertreise nach Südafrika
1999 wollten wir (der Solitude-Chor und das Sinfonieorchester der Universität Hohenheim gemeinsam) eine Konzertreise nach Südafrika unternehmen. Die Planungen waren schon weit fortgeschritten, aber die von vielen Seiten „verbindlich“ zugesagten Zuschüssen und Finanzierungen blieben leider aus, und nachdem die Kosten für Flug, Instrumententransport, Unterkunft usw. bereits auf über 50.000,- DM angestiegen waren, mussten wir die Notbremse ziehen und die Tournee absagen, da keines der beiden Ensembles in der Lage gewesen wäre, den zu erwartenden finanziellen Verlust zu tragen.
Übrig blieb eine traumhaft schöne touristische Reise von Kapstadt nach Port Elizabeth entlang der Garden Route. In drei Kleinbussen erkundeten achtzehn Sänger*innen und Musiker*nnen eine der schönsten Landstriche der Erde.
[leider fand diese Reise noch zu Zeiten der Papierbilder statt. Leider habe ich nur wenige Bilder der anderen Teilnehmer. Und leider werden Papierbilder durch’s Scannen auch nicht besser 🙂 Ein Dank an Sonja Roth, die mir den Großteil dieser Bilder zur Verfügung gestellt hat]
Der PUK-Chor zu Gast in Stuttgart
2008 erreichte uns die Anfrage eines Chors aus Südafrika, der auf seiner Tour durch Europa auch gerne in Stuttgart Halt machen wollten. Wir haben für sie nicht nur ein Konzert in der Leonhardskichre organisiert, sondern auch die Unterkünfte bei Gastfamilien des Solitude-Chors.
Belohnt wurden wir durch ein selten schönes und stimmungsvolles Konzert.
African Workshop
Für einen African Workshop haben wir uns 2009 Markus Detterbeck und afrikanische Tänzer*innen und Sänger*innen nach Stuttgart geholt.
(weitere Infos im Adventskalenderfenster vom 9.12.)
David Fanshaw: African Sanctus
Das Projekt wurde angeregt von Theo Bross, der uns den sambischen Chor Vox Zambezi vermittelt hat. Da die afrikanischen Sänger*innen das „African Sanctus“ bereits geprobt hatten, schien das ein ideales Werk auch für uns zu sein. Für all diejenigen, die nicht dabei waren, muss man vielleicht erläutern, dass das African Sanctus nicht einfach ein Oratorium ist, das man einstudiert und dann aufführt, sondern es hat feste, vom Komponisten vorgegebene Abläufe:
Fanshaw war ein Musikethnologe, der mit Mikrofon und Aufnahmegerät viele Jahre durch die ganze Welt, aber vor allem durch Afrika reiste, und von unzähligen Stämmen und Völkern deren Gesänge aufgenommen hat. Diese Aufnahmen bilden die Grundlage seiner Komposition, die dann mit von ihm komponierten Teilen fortgeführt wird. Es ist also ein ständiges Überblenden von Aufnahmen und live gesungenen Passagen.
Dass diese Übergänge von der Aufnahme zur Live-Musik und wieder zurück funktionieren, bedarf eines großen technischen Aufwands. Dazu bekommt der Dirigent einen Kopfhörer; über diesen hört er nun die Aufnahme, muss aber gleichzeitig mit dem anderen Ohr hören, was live gesungen und gespielt wird und diese beiden Dinge synchron halten.
Nur wenn diese beiden Schichten exakt übereinander laufen, kommt am Ende das gewünschte Ergebnis (zum Beispiel ein gemeinsamer Schluss) zustande.
Die Wittwe des Komponisten, die auch sein musikalisches Erbe verwaltet, verfolgte aufmerksam alle Proben und achtete akribisch darauf, dass das Werk exakt nach den Vorgaben ihres Mannes aufgeführt wurde.
Das Publikum merkt von alldem -zum Glück- nichts und erfreut sich an einem bunten Mix aus eingespielten Sounds und dem live dargebotenen Konzert.
Sensationell waren dann aber auch noch die Einlagen des sambischen Chors VOX ZAMBEZI am Ende des Konzerts, der die Tradition Sambias direkt und unverändert zeigte.