„The Armed Man“ – Karl Jenkins Oratorium in zwei beeindruckenden Konzerten
Der Solitude-Chor aus Weilimdorf und das Sinfonieorchester der Universität Hohenheim begeistern das Publikum in Birkach und Obertürkheim
1000 Jahre Frieden ist die Utopie einer besseren Welt des walisischen Komponisten Karl Jenkins, grandios vertont in seiner Messe „The Armed man“, die der Solitude-Chor und das Sinfonieorchester der Universität Hohenheim vergangenes Wochenende einem tief beeindruckten Publikum in zwei ausverkauften Konzerten präsentierte. Das im Jahr 2000 uraufgeführte Werk ist den Opfern des Kosovo-Krieges gewidmet und hat an Aktualität nichts eingebüßt.
In drastischen und mitunter martialischen musikalischen Bildern zeigt die Messe im ersten Teil, wie die Menschheit immer wieder Kriege entfesselt, nur allzu oft auch im Namen Gottes. So ertönen schon im Kyrie („Herr, erbarme dich“) die Trompeten, die zu den Waffen rufen. Dieser Ruf bestimmt den ersten Teil des Werks und wird, deutlich vernehmbar, bis in den siebten Satz immer aggressiver. Ein großer Aufschrei gefolgt von plötzlicher, fast unerträglicher Stille setzt dem musikalischen Toben des Orchesters und Chors schließlich ein vorübergehendes Ende. Nach dieser musikalischen Darstellung eines Atombombenabwurfs leitet ein Trompetensignal, das am Grabe von Soldaten gespielt wird, einen neuen, charakterlich grundlegend anderen Messeteil ein: die marschierenden Rhythmen weichen rezitativähnlichen Sätzen, ohne Metrum und der Welt entrückt. Es scheint kein Leben auf der Erde mehr zu geben. Vertonte Verse eines Hiroshima-Überlebenden und drastische Bilder brennender Kreaturen aus dem indischen Epos Mahabharata führen die grausamen Kriegsfolgen auch musikalisch eindrucksvoll vor Augen und zu Ohren. Erst die musikalische Sprache des Agnus Dei und Benedictus macht schließlich Platz für eine hoffnungsvolle Zukunft. Aus dem Soldatenlied „L‘ Homme armé“ wird nun ein fröhlicher Tanz und das ganze Ensemble beschwört eine 1000 Jahre währende Friedenszeit ohne Hass, Tränen und Leiden. In wunderbarer Weise endet das Werk mit einem großen, versöhnlichen a cappella Choral.
Dem Solitude-Chor Stuttgart und dem Sinfonieorchester der Universität Hohenheim ist unter der Leitung ihres gemeinsamen Dirigenten Klaus Breuninger eine von der ersten bis zur letzten Note packende Aufführung gelungen. Die beiden Ensembles aus Weilimdorf und Hohenheim meisterten die äußerst facettenreiche Partie mit Bravour. Besonders beeindruckend war dabei die Leistung der Blechbläser und der 6-köpfigen Schlagzeug-Gruppe. Die Solisten kommen in Jenkins Werk kaum zum Zug, doch in den wenigen Passagen sorgten auch sie für Gänsehautmomente, genauso wie der Ruf des Muezzins.
Dass wir auf dem Weg zu einer gemeinsamen friedlichen Welt noch einen langen Weg vor uns haben, beschrieb die 1. Vorsitzende des Solitude-Chors Heike Graser in ihrer Begrüßungsrede: es war eine schwierige Suche nach einem Auftrittsort, nachdem sich der Dekan der katholische Kirche in Stuttgart grundsätzlich gegen eine Aufführung der Friedensmesse in den katholischen Kirchen Stuttgarts ausgesprochen hatte – und das in Zeiten, in denen der Papst auf der arabischen Halbinsel empfangen wird. Doch auch viele evangelische Kirchengemeinden hatten keinen Mut, in ihren Mauern eine Friedensmesse mit Klängen und Texten anderer Kulturen aufführen zu lassen. Erst die Zusage der Ev. Gemeinde in Obertürkheim beendet die lange Suche nach einem geeigneten Raum für ein zweites Konzert, nachdem bereits am Abend zuvor die Ensembles mit Jenkins Werk ihre Zuhörer im Festsaal des Nicolaus-Cusanus-Haus in Birkach begeistert hatten. Auch das Publikum der bis auf den letzten Platz gefüllten Andreaskirche dankte mit nicht enden wollendem Applaus und Standing Ovations einer in jeder Hinsicht gelungenen und bemerkenswerten Aufführung.